Der HSV und Werder Bremen treffen am morgigen Sonntag erstmals seit 2844 Tagen wieder in der Bundesliga aufeinander. Eine dementsprechend hohe Bedeutung besitzt die Begegnung für beide Seiten.
Denn es gibt einzelne Spiele, die können die Stimmung je nach Ausgang extrem ins Positive respektive Negative auspendeln lassen. Der HSV befand sich vor einer Woche noch auf einem emotionalen Hoch, als er in Unterzahl den VfB Stuttgart durch einen Last-Minute-Treffer niederrang. Doch unter der Woche setzte es im DFB-Pokal einen herben Rückschlag. Eine enttäuschende Leistung führte zum Aus gegen Holstein Kiel.
Die Störche blieben damit auch im siebten Gastspiel im Volkspark ungeschlagen. Eine solch positive Bilanz hat der Werder Bremen an diesem Ort längst nicht vorzuweisen, auch wenn es das letzte Nordderby – zu Zweitliga-Zeiten unter Corona-Bedingungen durchgeführt – mit 3:2 in Hamburg gewann. Ohnehin verbrachte der SVW nur ein Jahr im Unterhaus und ist schon längst wieder ein etablierter Erstligist.
Viele Umschaltmomente für den HSV?
Dorthin will sich der HSV entwickeln. In die 158. Pflichtspiel-Auflage des Nordderbys geht er angesichts der Voraussetzungen als leichter Außenseiter. Trotzdem gibt es durchaus Chancen, die Partie für sich zu entscheiden. Denn Werder Bremen – wo Horst Steffen im Sommer von Ole Werner übernahm – sammelte bisher zwar vier Punkte mehr ein, agierte jedoch in einigen Partien recht wacklig.
Unter dem vorherigen Elversberger Trainer Steffen vertritt der SVW einen sehr spielerischen Ansatz und versucht, über möglichst flaches Kombinationsspiel das gegnerische Tor zu erreichen. Daher entsprangen gleich 63 Prozent der Tore strukturierte Angriffen. Zum Vergleich: Bundesliga-Durchschnittswert liegt gerade einmal bei 48,2 Prozent. Für die Rothosen wird es darum gehen, den Rivalen gar nicht erst ins Rollen kommen zu lassen.
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Nach dem Aufstieg veränderte das Trainerteam um Merlin Polzin die Spielidee weg vom Ballbesitz- zum pressingintensiven Umschaltfußball. Deshalb sollte der HSV anstreben, durch aggressives Anlaufen ein möglichst zweikampfintensive Begegnung herzustellen. Dies bringt einerseits den Vorteil, dass Werder nur schwer in den Spielfluss kommt, andererseits leistet sich der gewöhnliche Bundesliga-Spieler unter gegnerischen Druck mehr Fehler.
Der sich beispielsweise von Heidenheim und Mainz den Schneid abkaufen lassende SVW verliert im eigenen Drittel des Spielfelds pro Spiel 50-mal den Ball und liegt damit Bundesligaintern auf Rang 17. Es werden sich also immer wieder Umschaltmomente ergeben. Diese gilt es durch sauberes Ausspielen im hohen Tempo zu nutzen, was dem HSV beispielweise im Heimspiel gegen Schlusslicht Mainz (4:0) sehr gut gelang. Damals stach Doppelpacker Rayan Philippe heraus, der in den vergangenen Wochen jedoch vermehrt an seine Grenzen stieß.
Große Hoffnungen in Dompé
Geschwindigkeit alleine genügt nämlich nicht, um in der Bundesliga zu bestehen. Der nicht ganz so schnelle Emir Sahiti – nach seiner Einwechslung einer der wenigen Lichtblicke im Kiel-Spiel – würde andere Qualitäten mitbringen, die seiner Mannschaft gegen Werder weiterhelfen würden. Der Rechtsfuß ist ein spielfreudiger sowie trickreicher Spieler, der zudem nicht so fest an den Flügel gebunden ist, sondern auch immer wieder zum Kombinieren in die Halbräume rückt.
Diese Fähigkeiten könnten sich als hilfreich erweisen, um die sich zweifellos ergebenden Konterchancen in klare Abschlusssituationen umzuwandeln. Darüber hinaus besitzt der rechte Flügel die Aufgabe, Unterschiedsspieler Jean-Luc Dompé zu entlasten. Nur wenn beide Seiten Gefahr ausstrahlen, dürfte es möglich sein, den Franzosen zu isolieren und ihn durch kluge Verlagerungen in Eins-gegen-eins-Situationen zu bringen.
Darin hat der gegen Kiel direkt zum Aktivposten avancierende Dompé bekanntermaßen große Qualitäten. In der Vorwoche brachte ein anderer Linksaußen den SVW bereits in große Bedrängnis. Der Kölner Shootingstar Said El Mala stellte Yukinari Sugawara immer wieder vor Probleme – besonders wenn dieser keine Unterstützung seines Vordermannes erhielt – und leitete durch einen starken Antritt den 1:1-Endstand ein.
Darüber hinaus bräuchte es einen präsenten Mittelstürmer, der mögliche Hereingaben von Dompé verwertet. Ransford Königsdörffer legte auch nach Beendigung seiner Torflaute schwache Auftritte hin und strahlte keinerlei Torgefahr aus, da er sich von nahezu jedem Gegenspieler leicht abkochen ließ. Robert Glatzel erzielte gegen Stuttgart seinen ersten Saisontreffer, verletzte sich allerdings kurz darauf und fällt für den Jahresendspurt aus.
Deshalb bleibt Polzin, der zumindest den dauerverletzten Kapitän Yussuf Poulsen wieder in den Kader berufen kann, wohl keine andere Wahl als Königsdörffer erneut starten zu lassen. Dieser könnte zum wichtigen Faktor werden, muss sich aber in allen Belangen steigern. Denn nur mit einer vollends funktionierenden Offensive liegt ein Derbysieg in Reichweite.
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