Unter der Woche feierte das Volksparkstadion 100-jährigen Geburtstag. Es erlebte viele denkwürdige Fußballabende. Vielen Fans werden noch besonders an den 13.09.2000 zurückdenken, als der HSV und Juventus sich einen furiosen Schlagabtausch lieferten.
Als Tabellendritter durfte der Hamburger SV im Sommer 2000 in der Qualifikation zur Champions League antreten. In den Duellen mit dem dänischen Vertreter Bröndby IF (2:0/0:0) qualifizierte er sich erstmals für die 1992 gegründete Königsklasse. Die zugeloste Gruppe brachte attraktive Gegner. Neben Panathinaikos sowie Deportivo La Coruna wartete der italienische Vizemeister Juventus. Ein spezielles Wiedersehen aus hanseatischer Sicht: Denn am 25.05.1983 erlebte der HSV den größten Tag seines Bestehens, als er dank eines Tores von Felix Magath den Europapokal der Landesmeister gewann.
Dass HSV-Fans trotzdem direkt ein zweites Datum in den Sinn kommt, wenn über Begegnungen mit Juventus gesprochen wird, spricht Bände. Doch der Mittwochabend des 13.09.2000 bot den 48.500 Besuchern im ausverkauften Volksparkstadion nämlich ein unvergessliches Spektakel. Die Gäste griffen auf einem mit Weltklasse-Spielern wie Keeper Edwin van der Sar, Zinédine Zidane, Alessandro Del Piero, Filippo Inzaghi oder Edgar Davids bestückten Kader, der von der heutigen Trainerikone Carlo Ancelotti betreut wurde, zurück.
HSV-Comeback der Extraklasse
Die wesentlich höhere individuelle Klasse dominierte zunächst. Igor Tudor, der jetzige Trainer der Vecchia Signora, köpfte infolge eines Eckballs zum frühen 0:1 ein (6.). Der HSV glich aber schnell aus: Anthony Yeboah vollendete ebenfalls mit dem Schädel, nachdem er seinem Gegenspieler Ciro Ferrara entwischte. Ohnehin legte die Mannschaft von Frank Pagelsdorf einen sehr couragierten Auftritt hin. Die fehlende Erfahrung auf höchstem internationalen Niveau war ihr allerdings anzumerken.
Darüber hinaus zeigte sich Juventus eiskalt in der Chancenverwertung. Der mit allen Wassern gewaschene Inzaghi traf nach wunderbaren Zuspielen von Zidane und Del Piero doppelt – 1:3. Die Partie schien frühzeitig gelaufen. Zu abgeklärt traten die Turiner auf. Sie hatten die Rechnung jedoch ohne die sich nicht geschlagen gebenden Hamburger, die zudem bei einer Großchance von Darko Kovacevic durch den Pfosten im Spiel gehalten wurden, gemacht.

Der eingewechselte Marcel Ketelaer erwies sich als Aktivposten auf dem linken Flügel. Seine Hereingabe stocherte der spätere Publikumsliebling Mehdi Mahdavikia in der 65. Minute zum 2:3 über die Linie. Der Torschütze war in der zweiten Hälfte schlichtweg nicht zu bremsen. Ferrara tat dies wenig später im eigenen Strafraum mit unfairen Mitteln. Den fälligen Elfmeter verwandelte Torhüter Hans-Jörg Butt – dem insgesamt 21 Treffer für den HSV gelangen – ganz selbstverständlich, indem er van der der Saar verlud – 3:3.
Die Fans auf den Rängen tobten bereits. Doch es kam noch besser: Auslöser war erneut Mahdavikia, der einen fast schon geklärten Freistoß aus dem Halbfeld nochmals scharf machte, sodass Niko Kovac nur noch den Fuß hinhalten musste. „Als Niko Kovac das 4:3 machte, flogen die Sitzkissen auf den Rasen. Ich habe so etwas noch nie erlebt, die Leute wussten gar nicht wohin mit ihren Emotionen und haben einfach ihre Sitzkissen auf das Feld geschmissen. Wir Spieler haben die aufgesammelt, dabei ungläubig auf die Tribüne geschaut. Es war unglaublich, was das für Gefühls-Explosionen waren“, erinnerte sich Roy Präger, der beim Stande von 2:3 das Feld betrat, in der kicker-Montagsausgabe an die Szenen im Volkspark.
Inzaghi-Elfmeter verhindert historischen Sieg
Der erste Sieg beim ersten Champions-League-Auftritt, und zwar auf unglaublichste Art und Weise war zum Greifen nahe. 120 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit verteidigte der HSV allerdings abermals zu naiv. Sergej Barbarez zupfte am Strafraumeck leicht am Trikot von Inzgahi, der die Einladung natürlich dankend annahm und per Strafstoß den 4:4-Ausgleich besorgte. Wenig später beendete Schiedsrichter Vitor Manuel Melo Perreira ein atemberaubendes Fußballspiel, das auf dem Papier dem Hamburger SV zwar keinen Sieg bescherte – jedoch in allen ihm nahestehenden Personen unzählige strahlende Sieger gefunden hatte.
HSV – Juventus 4:4 (1:2)
HSV: Butt,-Panadic, Hoogma, Hertzsch,-Kovac,-Groth (27. Tøfting), Hollerbach (46. Ketelaer), Cardoso (67. Präger),-Mahdavikia, Yeboah, Barbarez
Juventus: van der Sar,-Tudor, Ferrara, Iuliano (59. Birindelli), Pessotto,-Tacchinardi,-O´Neill (71. Bachini), Davids,-Zidane,-Inzaghi, Del Piero (59. Kovacevic)
Das Rückspiel gewannen die am Ende als Drittplatzierter ausscheidenden Rothosen tatsächlich mit 3:1. Präger, Yeboah und der eisenharte Andrej Panadic erzielten die Tore. Auf Juventus-Seiten flogen Zidane nach einer Kopfnuss gegen Jochen Kientz sowie Davids frühzeitig vom Platz. Trotz des reichlich vorhandenen Gesprächsstoffes bleibt den vielen langjährigen HSV-Beobachtern vor allem das 4:4-Unentschieden – womöglich auch in der Hoffnung eines Tages wieder eine solch grandiose europäische Nacht zu erleben.
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(Foto: Imago)