Vor dem Heimspiel am 29. Spieltag gegen Eintracht Braunschweig kam die Hiobsbotschaft: Miro Muheim muss mit einem Muskelfaserriss pausieren, voraussichtlich für drei Spiele. Was auf den ersten Blick nach einer überschaubaren Ausfallzeit klingt, wiegt bei nur noch fünf ausstehenden Partien umso schwerer.
Schon gegen den BTSV wurde deutlich, wie sehr das Spiel des HSV unter dem Fehlen des spielstarken Schweizers leidet. In den kommenden Wochen wird es darauf ankommen, dass das Team seinen Ausfall im Kollektiv kompensiert. Drei Spieler könnten dabei besonders in den Fokus rücken:
William Mikelbrencis
An den ersten 12 Spieltagen sammelte William Mikelbrencis gerade einmal 20 Minuten Einsatzzeit für den HSV, seitdem ist er Stammspieler als Rechtsverteidiger und hat dabei auch Millioneneinkauf Silvan Hefti auf die Bank verdrängt. Durch die Muheim-Verletzung wird jetzt noch mehr Verantwortung auf den 21-jährigen Franzosen zukommen und dessen Rolle weiter verändern – möglicherweise sogar mit einem Wechsel auf die linke Abwehrseite. Aufgrund seiner technischen Qualitäten wäre er dort eher in der Lage, das spielerische Element von Muheim zu ersetzen, als der defensiv orientiertere Hefti.
Muheim ist der Linksverteidiger mit den meisten Ballaktionen und erfolgreichen Pässen der gesamten Liga, ein Umstand, den kein anderer Außenverteidiger beim HSV wird ausgleichen können. Mikelbrencis kommt dem gesuchten Profil jedoch am nächsten und könnte so helfen, das entstandene spielerische Vakuum zu füllen – etwas, das Hefti gegen Braunschweig nicht gelang.
Jonas Meffert
Durch seinen Nasenbeinbruch stand Jonas Meffert dem HSV für kurze Zeit nicht zur Verfügung, was gegen Nürnberg noch nicht stark ins Gewicht fiel, gegen Braunschweig dann allerdings umso mehr. Seine Pressingresistenz und sein sicheres Passspiel sind unverzichtbar für den Ballbesitz-Fußball von Merlin Polzin, mehr denn je nachdem sich nun auch Muheim verletzte. Im Spiel mit Ball formten Meffert und Muheim meist die zentrale Anspielstation für die Verteidiger der Hamburger, unterstützt von den Achtern, die häufig auf die Halbräume und Außenbahnen auswichen.
Ohne Muheim wird es nun an Meffert liegen, noch mehr Konstanz und Struktur ins Aufbauspiel zu bringen. Viel wird auch darauf ankommen, ob der 30-Jährige sich auf die neue Situation einstellen kann, nun keinen Partner mehr an seiner Seite zu haben, der viel mit seinem progressiven Spiel lösen konnte. Eine mögliche Lösung: Ludovit Reis könnte sich häufiger tief anbieten – doch der ist eher ein dynamischer Ballträger als ein präziser Passgeber.
Bekommen die beiden ihr Spiel aufeinander abgestimmt, muss das Ballbesitzspiel des HSV nicht unbedingt unter den neuen Zuständigkeiten leiden.
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Adam Karabec
Adam Karabec spielt eine Saison mit vielen Höhen und Tiefen. Nicht ungewöhnlich für ein Talent, das zum ersten Mal so viel regelmäßige Einsatzzeit bekommt und dann auch noch in einem neuen Verein, einer neuen Liga und zudem einem neuen Land.
Wieso er durch den Muheim-Ausfall weiter in den Fokus rücken könnte? Weil Muheim neben seinen Fähigkeiten im Spielaufbau des HSV auch elementar wichtig in der Chancenkreierung gewesen ist. Geteilter Platz 6 in der ligaweiten Vorlagen-Rangliste, zweitbester Außenverteidiger hinter Aaron Zehnter, der seine Rolle allerdings auch deutlich offensiver interpretiert. Zudem Top-Drei-Prozent in den Kategorien “herausgespielte Chancen” und “erfolgreiche Flanken”.

Diese Lücke muss nun vor allem im Mittelfeld gefüllt werden – und hier ist Karabec gefragt. In Polzins System übernimmt einer der beiden Achter die offensivere Rolle, während der andere eher als Verbindungsspieler agiert, immer mit Blick auf die defensive Absicherung. Zwischen Karabec und Reis sind die Aufgaben klar verteilt – Karabec muss der kreative Kopf im Angriffsdrittel sein. Zuletzt tat er sich schwer, dieser Rolle gerecht zu werden, doch sein Potenzial steht außer Frage.
Dadurch, dass der HSV in den vergangenen Wochen abseits von Jean-Luc Dompé keinen allzu zuverlässigen Vorlagengeber in seinen Reihen hatte, wird es jetzt vor allem auf den jungen Spielmacher ankommen, das Spiel noch mehr an sich zu reißen und zu versuchen, auch aus der Zentrale und nicht mehr nur über die Flügel Gefahr zu kreieren. Mit seinen technischen Fähigkeiten und immer wieder aufblitzenden genialen Momenten wäre der Tscheche prädestiniert dafür im Saisonendspurt nochmal zu zeigen, was in ihm steckt.
Jan Schultz (Autor und Taktik-Experte bei rautenball.de)